Last-Minute-Löwen schlagen wieder zu
Wasserburg ringt Traunstein ganz spät mit 2:1 nieder
Sie haben es wieder getan. Wie schon im Derby gegen den TSV 1860 Rosenheim haben die Fußballer des TSV 1880 Wasserburg am Freitagabend an der Landwehrstraße 10 gegen den SB Chiemgau Traunstein in der 90. Minute mit einem verwandelten Foulelfmeter das Prestigeduell mit 2:1 für sich entschieden und einen großen Sieg errungen. In England wurde die Schlussphase plus Nachspielzeit in Anlehnung an Trainerikone Sir Alex Ferguson „Fergie Time“ genannt, weil klar war, dass sein Manchester United in engen Spielen am Schluss immer für ein Tor gut war. Die Legende von den Last-Minue-Löwen hingegen entstand vor Jahren in der Kreisklasse in Rott, als Wasserburg noch spät gewann, und wurde vor allem in der Altstadt kultiviert. DieAltstadt war auch jetzt wieder der Schauplatz eines umkämpften Fußballspiels, das lange nach einem Unentschieden aussah, aber in den Innstädtern einen späten, aber verdienten Sieger sah.
Beide Mannschaften wurden zuletzt arg von Verletzungen gebeutelt, nichtsdestotrotz schickte Traunstein die prominenter besetzte Elf auf den Rasen. Den Löwen fehlten mit Irfan Selimovicund Maxi Höhensteiger kurzfristig zwei wichtige Stützen, im Spielverlauf war dies jedoch nicht zu bemerken, denn die Hausherren spielten ordentlich und gingen auch verdient in Führung, da sie schon zuvor einige gefährliche Szenen verzeichnen konnten. Daniel Yordanov waren beim Versuch einer Flanke im Strafraum ungestüm die Beine weggezogen worden und Michael Barthuber versenkte den fälligen Strafstoß zum 1:0 (29.). Aus dem Nichts erzielte Traunstein in der ersten Hälfte jedoch den Ausgleich. Linor Shabani setzte sich im Mittelfeld mit einer feinen Einzelaktion durch, seinen 18-Meter-Schuss konnte Lino Volkmer nur abprallen lassen, sodass Sascha Marinkovic per Abstauber zum 1:1 einschieben konnte (43.).
Nach dem Seitenwechsel entwickelte sich ein wahres Fifty-fifty-Spiel. Die 336 Zuschauer sahen eine ausgeglichene Partie, wobei die Innstädter tendenziell einen Tick gefährlicher waren. Nach vorne fehlte Wasserburg im dritten Spiel innerhalb von sechs Tagen aber die nötige Frische und Durchschlagskraft. Chiemgau-Coach Daniel Majdancevic sah seine Farben überlegen: „Wir waren die drückende Mannschaft und haben versucht nach vorne zu spielen.“ Dort vorne gab es jedoch kein Durchkommen. Traunstein hatte kaum eine Torchance, die umgebaute WasserburgerAbwehr verteidigte vorzüglich. Zum ersten Mal seit 14 Monaten stand dabei Jean-Philippe Stephan nach langer Verletzungspause wieder in der Startformation und blockte dabei nach gut einer Stunde einen aussichtsreichen Versuch von Shabani, weil er sich ohne Rücksicht auf Verluste in dessen Schuss warf. Das ganze Stadion bejubelte den Block wie einen Torerfolg. In der Schlussphase bestand der Wasserburger Sturm nach den Wechseln fast nur noch aus Reserve- und Jugendspielern oder Rekonvaleszenten, dennoch gelang in der 90. Minute der Lucky Punch. Lucas Knauer hatte Matthias Rauscher mit einem weiten Diagonalball auf die Reise geschickt, die am Strafraumeck vom herauseilenden Torhüter Issa Ndiaye jäh beendet wurde, weil dieser Rauscher ebenso brachial wie unnötig über den Haufen mähte. Da sämtliche potentielle Elfmeterschützen nicht (mehr) auf dem Feld waren und Derbyheld Michael Kokocinski gerade erst zur Einwechslung bereit stand, machte sich Urlöwe Johannes Lindner auf, seinen ersten Strafstoß für Wasserburg zu schießen. Mit etwas Glück, Ndiaye war noch dran, avancierte der 29-Jährige zum Mann des Abends. Während die Löwen jubelten, kritisierte Majdancevicmerklich verstimmt, dass sich sein Team „durch zwei Fehler selber bestraft“ hat. „Wir investieren sehr viel, holen aber keine Punkte“. Bei Florian Heller sah die Gefühlswelt logischerweise ganz anders aus: „Wir haben eine überragende Hinrunde gespielt, in der wir kein Derby verloren haben. In dieser Englischen Woche haben wir neun Punkte geholt. Hut ab vor dieser Mannschaft.“
Wasserburg: Volkmer, Kollie, Lucas Knauer, Stephan, Rauscher, Lindner, Simeth (ab 92. Kokocinski), Jackl (ab 75. Vorderwestner), Barthuber (ab 82. Mikusch), Yordanov (ab 78. Kononenko), Wagner (ab 78. Pezo)
Traunstein: Ndiaye, Kremer (ab 72. Disscetti), Marinkovic, Majdancevic, Vokri, Pelypenko, Kraus, Neumüller, Parano, Salihu, Shabani
Tore: 1:0 Michael Barthuber (29., Foulelfmeter), 1:1 Sascha Marinkovic (43.), 2:1 Johannes Lindner (90., Foulelfmeter)
Schiedsrichter: Fabian Büchner (FC Mariakirchen)
Zuschauer: 336
„Ich wollte die Verantwortung übernehmen“
Johannes Lindner entscheidet mit seinem Elfmeter das Prestigeduell zwischen Wasserburg und Traunstein
Johannes Lindner ist seit 2015 in Wasserburg und gehört mittlerweile zum Inventar. Der 29-Jährige hat sich in dieser Zeit als unermüdlicher Kämpfer in die Herzen des Wasserburger Publikums gegrätscht. Als Torschütze trat er in all den Jahren eher selten in Erscheinung. Nachdem er bereits im April im Abstiegskampf beim 1:0 in Ampfing einen ganz wichtigen Treffer erzielte, der ihn zu Tränen rührte, übernahm der Defensivspieler am Freitagabend Verantwortung und schoss in der 90. Minute seinen ersten Elfmeter für die Löwen. Welche Gefühlsregungen das Siegtor gegen Traunstein auslöste, wie die dezimierten Löwen in nur sechs Tagen neun Punkte holen konnten und was die Innstädter ausmacht, lesen Sie hier:
Zu viele potentielle Schützen standen in der 90. Minute nicht auf dem Platz. Was ging Ihnen beim Elfmeterpfiff durch den Kopf?
Ich wusste, dass unsere potentiellen Schützen nicht da waren und ich wollte nicht, dass ein junger Spieler schießen muss. Deshalb wollte ich die Verantwortung übernehmen. In Wasserburg hatte ich bis dahin noch keinen Elfmeter geschossen, früher in Eggstätt und Amerang jedoch schon. Daher war ich mir sicher, dass ich treffe.
Ihr Cousin Matthias Schmid ist Co-Trainer bei Traunstein, Wasserburg gegen Traunstein ein Prestigeduell. Was bedeutet Ihnen dieser Sieg?
Mir bedeutet dieser Sieg sehr viel. Als ich wieder in die Startformation gerückt war, verloren wir gegen Grünwald und Schwaig und spielten in Forstinning nur Unentschieden, da zweifelt man auch an sich selbst. Umso wichtiger war es, dass wir in der Englischen Woche alle Spiele gewonnen haben. Vor dem Spiel war ich etwas angespannter, als sonst. Wir hatten wieder viele Umstellungen und es war nicht klar, wie wir diese verkraften. Entsprechend hoch schätze ich unser Ergebnis gegen einen solch starken Gegner ein.
Wie erklären Sie sich, dass nach dem 0:6 gegen Schwaig innerhalb von nur sechs Tagen neun Punkte gegen starke Gegner geholt werden konnten?
Der Coach hat mit uns die Niederlage aufgearbeitet und unsere zahlreichen Ausfälle haben wir ohne zu jammern kompensiert. Der Zusammenhalt macht uns aus. Unser Team wächst immer mehr zusammen.
Sie sind schon lange dabei, wie wirken Sie auf die Mitspieler ein?
Letzten Samstag in Unterföhring habe ich zu den Jungs gesagt, dass jeder Einzelne Verantwortung übernehmen muss und nicht nur auf den anderen hoffen soll. Jeder muss seine Aufgabe erfüllen und seine Kompetenzen einbringen, dann funktioniert es auch wieder.
Was ist für die Löwen noch drin?
Es hört sich platt an, aber wir wollen gute Leistungen bringen. Wir wollen unsere Mannschaft entwickeln und schauen dabei von Woche zu Woche. Ich freue mich auf unser nächstes Spiel.
jah