Ronja Taubmann: Premierentorschützin empfindet Dankbarkeit
Frauenfußball ist derzeit in aller Munde. Die 24-jährige Ronja Taubmann kennt beide Welten – den Damen- und Herrenfußball. Im Interview spricht sie über ihr sensationelles Tor bei den Herren und ihre Zeit bei den Löwen.
JAH: Es ist nach wie vor ungewöhnlich, dass eine Frau bei Männern spielt und trainiert. Wie bist du zu den Löwen gekommen?
Ronja Taubmann: Durch mein Studium war ich immer sehr eingespannt und konnte meinen Heimatverein in Karlsfeld nur noch selten unterstützen. Mir hat das Training unter der Woche gefehlt und ich hatte das Gefühl, nicht mehr genug zu sein für das Team. Am Anfang hatte ich kaum eine Verbindung nach Wasserburg, obwohl ich dort gewohnt habe. Doch der Fußballplatz direkt am Inn hat mich schon immer fasziniert. Es ist wie aus Erzählungen der Bundesligaanfänge, wo die Fans das Spielgeschehen an der Spielfeldbegrenzung direkt mit beeinflussen können und die Nebelschwade am Freitagabend über das Spielfeld zieht. Als ich dann einmal vorbeigejoggt bin und die Mannschaften beim Trainieren gesehen habe, hatte ich so eine Sehnsucht meine Laufschuhe gegen Fußballschuhe auszutauschen, dass ich sofort, nachdem ich zuhause angekommen war, den Abteilungsleiter von Wasserburg kontaktiert habe. Für Kevin Klammer war das alles kein Problem, solange die Jungs nichts dagegen haben und sich die Qualität der Mannschaft nicht verschlechtert, kann ich mittrainieren. Und so begann alles.
Wie war es dann mit Herren zu trainieren und zu spielen?
Ich war so nervös am Anfang. Aber die Mannschaft hat mich sofort aufgenommen. Einiges war anders zu unserem Training: Die Jungs sind ehrgeiziger. Wenn du das Tor nicht machst ist es egal, ob du ein Mädchen oder Junge bist, du wirst angeschnauzt – und das zu Recht. Es geht immer um irgendetwas. Meistens müssen die Verlierer Liegestütze machen. Und wenn die Mannschaft richtig Pech hat, dann Liegestütze in meinem Tempo, also langsam. Das ist auch schon der zweite Punkt: Die Dynamik und die Schnelligkeit bei den Herren sind meine persönliche Schwachstelle. Genauso auch das körperbetonte Spiel. Davon konnte ich mir viel bei den Männern abschauen. Besonders gut gefallen hat mir aber der Teamgeist. Das Abklatschen vor und nach dem Training, das gemeinsame Zusammensitzen mit den Spielern. Ich habe innerhalb von kürzester Zeit Anschluss gefunden und Wasserburg wurde zu meiner zweiten Heimat. Und die Jungs nicht nur meine Mitspieler, sondern auch meine Freunde. Sie haben mich zu Veranstaltungen eingeladen oder zum Feiern mitgenommen.
Die Löwen sind dafür bekannt, dass sie integrativ tätig und sehr offen sind. Dass du aber spielen darfst und sogar triffst, ist außergewöhnlich. Was hast du nach deinem Tor gedacht?
Dankbarkeit. Einfach nur Dankbarkeit für dieses Team. Die ganzen Umstände, die dieses Spiel mit sich brachte, haben einfach gezeigt, was für eine unglaubliche Mannschaft der TSV 1880 Wasserburg II und seine Unterstützer*innen sind. Das Spiel gegen den ASV Eggstätt sollte nicht nur ein Vorbereitungsspiel werden, sondern gleichzeitig ein Abschiedsspiel für mich. Auch eine Idee von den Spielern, für die ich so dankbar bin! Der Trainier hat innerhalb von kürzester Zeit für meine Spielberechtigung gesorgt, Spieler aus der Ersten Mannschaft haben sich bereiterklärt, kurzfristig noch einmal auszuhelfen. Das hat alles die Mannschaft für mich getan – und damit nicht genug. Als ich in den Sturm eingewechselt wurde, haben mich meine Mitspieler immer wieder als Anspielerin gesucht und mir Anweisungen gegeben. Es war, als wäre ihnen der 1:2-Rückstand in diesem Moment egal und es ginge nur darum, dass ich meinen Spaß habe und ein Tor schieße. Bevor also mein Mitspieler Osman Touray den Ball bekommen hat, ruft er schon „Ronja, Ronja“. Er dribbelt den Ball über die linke Seite vor das Tor und anstatt selbst abzuschließen legt er den Ball in die Mitte, damit ich abschließen kann. In dem Moment habe ich nichts gedacht, sondern nur gefühlt. Ich war so glücklich.
Eine sensationelle Bilderbuchgeschichte. Leider kann diese nun nicht fortgeführt werden, da du jetzt ins Ausland gehst: Was machst du und kommst du zurück nach Wasserburg?
Ich werde für ein Jahr in Lima in einem Therapiezentrum für Kinder mit motorischen und kognitiven Einschränkungen als Physiotherapeutin arbeiten. Damit geht für mich ein wundervolles Kapitel in Wasserburg zu Ende. Ohne meine Mannschaft, den TSV 1880 Wasserburg II, würde es mir nicht ansatzweise so schwerfallen, mein Leben hier zurückzulassen. Denn ich werde nicht nur die Mannschaft vermissen, sondern auch den hart aufgebauten „Ronjas-Kiosk“ und die Freundschaften auf der Tribüne mit tollen Menschen, die das Team bei Wind und Wetter unterstützen. Ich wünsche mir für den TSV 1880 Wasserburg II, dass sie endlich sehen, was sie eigentlich für eine geile Mannschaft sind! Alleine hätte ich niemals das Tor geschossen, aber meine Mannschaft hat es möglich gemacht. Wann ich wiederkomme? Keine Sorge Jungs, zur Titelverteidigung des Bauer-Bierpong-Turniers bin ich spätestens nächstes Jahr wieder da! Bis dahin habt ihr noch Zeit zum Üben.
jah